Versöhnungsinitiative Freudenthal/Bruntál
Briefe, Telefonanrufe, E-Mails, Onlinekonferenzen, Besuche – das sind die Formen des regen Austauschs der Versöhnungsinitiative Freudenthal/Bruntál mit Sudetendeutschen, die dem Altvater verbunden sind.
Die Versöhnungsinitiative Freudenthal/Bruntál nahm ihren Anfang im Jahr 2016, als eine kleine Gruppe von Christen im Rahmen der Christlichen Gesellschaft Tesalonika die sudetendeutsche Geschichte ihrer Stadt studierte. Dabei stellte sich schnell die Frage, wie die dunklen Seiten der deutsch-tschechischen Vergangenheit aufgearbeitet werden können, und wie Christen damit umgehen sollten. Ein Bußgottesdienst im kleinen Kreis fand am 26. Oktober 2016 an jener Stelle statt, wo in den Jahren 1945/46 ortsansässige Sudetendeutsche interniert oder ermordet wurden. Anschließend beschäftigten die Teilnehmer des Gottesdienstes zwei Fragen: "Wie können wir Kontakte zu Sudetendeutschen gewinnen?" und "Werden die Sudetendeutschen überhaupt Interesse haben, mit uns zu sprechen?"
Bei der Suche nach Kontakten entdeckte Roman Hota, heutiger Leiter der Versöhnungsinitiative, dass es den Verein Heimatkreis Freudenthal/Altvater e.V. gibt, in dem sich Sudetendeutsche aus dem Altvaterland zusammengeschlossen haben. Damit war es nur noch ein Schritt zu den ersten persönlichen Kontakten und dem Besuch des Heimatmuseums Freudenthal in Memmingen.
Mit jedem persönlichen Treffen mit Sudetendeutschen haben die Mitarbeiter der Versöhnungsinitiative ihr Land und ihre Stadt Freudenthal/Bruntál, in der sie heute leben, besser verstanden und das sudetendeutsche Erbe zu schätzen gelernt. Eine weitere Frage, die sie bewegte, war: "Aber was können wir als Tschechen für die alten Sudetendeutschen und ihre Nachkommen, die von der Vertreibung betroffen waren, tun?". Als ihnen schließlich der Gedanke kam, Geburtstagspost mit beigefügtem Entschuldigungsschreiben an die Adressen der Sudetendeutschen zu senden, die sie in der Zeitschrift Freudenthaler Ländchen fanden, begann für die Versöhnungsinitiative eine intensive Arbeit.
Im Jahr 2021 verschickte die Versöhnungsinitiative die ersten Gratulationsschreiben, zunächst im Umfang von zehn Briefen pro Monat. Dabei erhielt sie die ersten dankbaren Antworten – Briefe und Anrufe – mit der Bitte, diese Arbeit doch fortzusetzen. Hierdurch sahen die Mitarbeiter der Versöhnungsinitiative sich in ihren Bemühungen bestärkt und erhöhten schrittweise die Anzahl der versandten Geburtstagswünsche auf bis zu 90 Briefe pro Monat. Bis heute hat die Versöhnungsinitiative mit ihrer Post mehr als 1.100 sudetendeutsche Landsleute erreicht. Mit 70 von ihnen besteht ein reger Austausch; manche von ihnen waren bereits bei der Versöhnungsinitiative zu Gast oder haben diese in Deutschland empfangen.
Halbjährlich veranstaltet die Versöhnungsinitiative ein tschechisch-deutsches Online-Treffen, das eine gute Resonanz unter den Teilnehmern findet. Unvergesslich war auch das Treffen einer 91-jährigen Zeitzeugin mit Schülern des Gymnasiums von Freudenthal/Bruntál, das die Versöhnungsinitiative organisierte.
Das alles wird teils durch ehrenamtliche Mitarbeiter ermöglicht, teils durch Spenden aus der Tschechischen Republik und aus Deutschland. Jeder Austausch, jedes Treffen bringt auf beiden Seiten Hoffnung, Freude, sogar Heilung der alten Wunden. Das heute siebenköpfige Team der Versöhnungsinitiative ist sich stets bewusst, dass es die letzte Gelegenheit ist, die alten Bewohner des Altvaterlandes zu erreichen, und ist bestrebt, die Kommunikation mit den Zeitzeugen weiter auszubauen.
Aus der Korrespondenz
"Niemals hätte ich daran gedacht, 75 Jahre nach unserer 'Umsiedlung' überhaupt einen Brief aus Bruntál zu erhalten, und zudem noch einen mit so warmen Worten des Verständnisses für die Menschen, die bis Kriegsende in Freudenthal gelebt und Stadt und Land geprägt haben. Möge Ihnen und den Bürgern der nun tschechischen Gemeinde Ihre neue Heimat so vertraut werden, wie sie uns war und aus der Ferne noch ist."
- Ingrid Scherping geb. Roßmanith, Potsdam, geb. 1932 in Freudenthal/Bruntál
"Wir finden es großartig, dass es Menschen wie Sie gibt, die sich nach vielen Jahrzehnten um eine Verständigung und Annäherung zwischen unseren beiden Völkern bemühen. Weder meine noch vor allem Ihre Generation hatten einen Einfluss auf die Geschehnisse von damals, und durch freundschaftliche Beziehungen kann man hoffentlich eine Wiederholung verhindern."
- Rudolf Grabner, Stuttgart, geb. 1934 in Freudenthal/Bruntál